- Kapitel 2 -

Geburtstag !

 

Nach einigen Jahren siedelte die gesamte Familie Rosen Plenter nach Waake um, einem kleinen Dorf in der Nähe von Göttingen. Die Söhne von Henrich, sowohl aus der ersten als auch der zweiten Ehe, wurden Kötner und Brinksitzer. Das waren Bauern mit relativ kleinem Landbesitz. Ein Teil, hauptsächlich die Brinksitzer mußten einem zusätzlichen Erwerb nachgehen um ihr Auskommen zu sichern. Der Alte und Henrich der Einwanderer sind schon seit einigen Jahren verstorben als unsere zweite Geschichte beginnt.

 

«Meine aller herzlichsten Glückwünsche zu deinem 5. Geburtstag Berent, auf das die nächsten Geburtstage noch reichlich fallen,» Onkel Hans Henrich Rosenplenter übergab ein großes, hölzernes mit echtem Pferdehaar versehenes Schaukelpferd und das Gesicht des Jungen strahlte so hell wie die Sonne am Mittag. Berent war am 17.7.1681 an einem Donnerstag geboren und ein so tolles Geschenk hatte er noch nie bekommen.

«Hans, du übertreibst es mal wieder,» Kurt Rosenplänter der Vater des Geburtstagskindes schaute seinen Bruder mahnend an.

«Ach was, soll ich mich Lumpen lassen, du weißt so gut wie ich, man lebt nur einmal.»

«Aha, da spricht mal wieder der Groß - Kötner,» Kurt schaute doch etwas neidisch seinen Bruder an.

«Fängst du damit wieder an, Vater hat uns alle gleich bedacht, keiner hat mehr als der andere Sohn bekommen, es ist wie alles im Leben, man muß was daraus machen,» Hans Henrich schaute jetzt fast ärgerlich drein.

«Schon gut Bruder, schon gut,» Kurt zwinkerte mit den Augen. «Wie wäre es jetzt mit einer Kanne Bier,» Kurt nahm seinen Bruder unter den Arm und ging mit ihm zum Faß. Sein Sohn begleitete ihn und den Onkel zum großen Bierfaß.

«Ach schau mal da Berent mein Sohn, dein Tauf-Onkel Berent kommt.»

Berent der dritte Bruder kam in den Innenhof schaute sich kurz um und ging dann auf sein Patenkind zu. Onkel und Geburtstagskind umarmten sich, und der Onkel gab Berent ein kleines Paket, «erst heute Abend vor dem zu Bett gehen öffnen,» sagte er noch.

«Hallo meine Brüder, wieder mal alle zusammen.» Kurt und Hans Henrich reichten nacheinander Berent die Hand und begrüßten ihn herzlich.

Berent war der Scherzbold in der Familie und sorgte immer für gute Stimmung. «Dann sind wir ja fast komplett,» meinte Kurt.

«Es fehlen nur noch Henrich Rosenplenters Witwe und Viet Rosenplänters Witwe,» sagte Hans Henrich und schaute auf den Stand der Sonne. «Sind ja spät dran heute.»

Berent sagte ohne eine Miene zu verziehen: «Henrichs Frau kommt heute nicht, sie hat der Schlag getroffen.»

Seine beiden Brüder schauten ihn verdutzt an.

«Schon gut, war ein Scherz, aber sie hätte wirklich bald der Schlag getroffen der Consumtionsschreiber* hat sie arg geschröpft.»

«Was muß sie denn zahlen?» Kurt blickte Berent fragend an.

 

 

Consumtionsschreiber= Steuerbeamter,

 

«Nun so wie sie mir erzählte, insgesamt für die Familie 13 Groschen und 4 Pfennig

«Und Viets Frau?»

«1 Thaler und 33 Groschen,» Berent verzog dabei das Gesicht. «Nicht gerade wenig, nicht wahr!»

«Wenn sie es nicht schaffen, werden wir zusammen legen oder?» Kurt schaute seine beiden Brüder an und erntete zustimmendes Nicken.

«Schade das Bernd Rosenplänters Witwe von Waake weggezogen ist,» meinte Kurt.

«Ja, echt schade!» Berent schmunzelte dabei.

«Laß das deine Frau erfahren und du wirst gevierteilt«. Kurt blinzelte Berent zu und Hans Henrich guckte ungläubig.

«Du und Bernds Witwe, ich fasse es nicht!» Hans Henrich schaute völlig verwirrt drein.

»Sag nicht du auch?» Kurt war erschüttert !

«Wechseln wir das Thema da kommen die Witwen!» Berent zeigte auf den Torbereich.

«Hallo ihr Beiden, kommt zu uns rüber!» Die drei Brüder riefen es fast gleichzeitig.

Die beiden Frauen gratulierten ihrem Neffen und gaben ihm je zwei Pfennig dann gingen sie zu den Männern.

«Hallo ihr Schwerenöter wie geht es euch,» Henrichs Witwe zog einen Schmollmund, «ihr könntet einer armen Frau ruhig ab und an mal einen Besuch abstatten und zwar außerhalb der Geburtstage.»

«Ja, ja die Herren haben so viel zu tun, das sie uns alten Frauen keine Zeit mehr schenken können.» Auch Viets Witwe umarmte ihre Schwager.

«Wir gehen zu euren Frauen rüber und lassen euch bei den Männer Gesprächen alleine. Bis nachher.»

«Wir hätten sie wirklich öfters mal besuchen können, da haben sie schon recht,» Kurt nickte ihnen nach.

«Und habt ihr beiden schon alle Handdienste für die von Uslar geleistet?» Hans Henrich blickte seine Brüder an.

«Nein, ich muß noch zwei Tage ableisten, der Herr will mich im Oktober haben,» antwortete Kurt.

«Ja und ich habe noch 5 Tage abzuleisten. So wie es aussieht in der nächsten Woche, Kornernte. Ausgerechnet jetzt wo ich selbst das Korn rein bringen muß. Es ist doch immer und immer wieder das selbe, mit denen.» Berent schaute grimmig in die Runde.

«Nicht nur Steuern, diesmal muß ich übrigens 2 Thaler und 51 Groschen Kopfsteuer zahlen, dazu kommen noch 27 Tage Handdienst im nächsten Jahr, Holzgeld, Pferdegeld, Kuhgeld, ach ja ihr wißt ja selber. Lasten, Lasten und nochmals Lasten, Hauptsache denen da oben geht es gut.» Hans Henrich schaute in die Runde. Kein Verrat ja. Das Malschwein habe ich im Wald festgemacht. Außer Abfall bekommt es nichts. Es ist so dürr das man meint es

wäre ein Hund, hahaha.» Hans Henrich klopfte sich laut lachend auf die Schenkel. «Es kostet mich dieses Jahr keinen Pfennig,» laut prustend klatschte er sich erneut auf die Schenkel.

Kurt schaute ihn besorgt an, «und wenn Die dahinter kommen?»

«Mach dir mal keine Sorgen, unser Bruder ist gewitzt. Er hat nicht umsonst die dicksten Kartoffeln.» Berent grinste.

«Laßt uns noch eine Kanne Bier holen.» Kurt stand vom Tisch auf, leicht schwankend wie er selbst merkte und ging zum Faß rüber. Dort zapfte er das dunkle Bier in eine gut zwei Liter Zinnkanne und kehrte an den Tisch zurück.

«Nur gut das wir keine Leibeigenen sind, stellt euch das mal vor!» Hans Henrich schaute seinen Brüdern in die Augen. «Das gäbe dann aber eine Revolution!»

«Laßt uns von erfreulicherem sprechen» Berent sprang auf, «ich hole meine Flöte und dann singen und spielen wir etwas.»

Die Frauen kamen bei den ersten Flötenklängen aus dem Haus. Die Männer, Frauen und Kinder nahmen sich an die Hand und tanzten nach der Musik von Berents Flöte. Im Reigen ging es rundherum im Hof, die Flöte von Berent spielte eine lustige Weise nach der anderen und alle lachten und scherzten. Kurt unterbrach auf einmal den Trubel und rief: «Werte Gäste, liebe Verwandte und selbstverständlich liebes Geburtstagskind, seid bitte einmal still. Heute ist Mittwoch und Morgen müssen wir alle wieder früh ans Werk. Also Hans Henrich möchte noch eine Rede halten und anschließend wollen wir zu Abend essen. Es sollte heute, so leid es mir tut nicht zu spät werden. Wir wissen alle das uns Morgen die Pflichten rufen.» Kurt wandte sich an Hans Henrich und blickte ihn fragend an?

Hans Henrich holte Luft und dann begann er mit seiner Ansprache: «Ja, liebe Verwandte, Gäste und Kinder, aus unserer doch allmählich anwachsenden Großfamilie sind inzwischen mehrere Familien geworden, ganz im Sinne unseres Vaters und Großvaters, Gott hab ihn selig und möge er in Frieden ruhen. Wir alle haben viele gesunde Kinder und einige von ihnen sind auch schon im heiratsfähigen Alter. Ich denke wir haben alle unser Bestes getan um die Familie zu erhalten. Natürlich sind auch schon einige von uns gestorben aber auch den Nachkommen von Ihnen ist der Schutz durch die anderen Familien sicher. Wer also Probleme hat oder bekommt sollte sich immer an die anderen Familien wenden. Denn nur vereint sind wir stark.»

«Hmm», Kurt räusperte sich, denn wenn Hans Henrich einmal anfing war es immer schwer ihn zum Ende seiner Ansprache zu bringen.

«Lieber Hans Henrich, ich danke dir für deine so treffliche Rede und möchte das Abendessen eröffnen, ich wünsche allen einen guten Appetit.»

Kurt erhob sich und auch die anderen Gäste eilten zur reichlich gedeckten Tafel die inzwischen im Hof von einigen Frauen aufgebaut worden war. Es gab Hafer und Roggen-Brei, verschiedene Gemüse, dazu Schweinefleisch in Rosinensoße mit Honig, gefülltes Spanferkel, Brot und Waldfrüchte rundeten das Abendmahl ab. Als Getränke gab es kaltes Wasser mit Himbeersaft gemischt für die Kinder. Die Erwachsenen hatten Bier und Fruchtschnaps.

 

Hans Henrich war etwas aus dem Konzept gebracht worden als alle zum Essen stürmten. So gelangte er als letzter an den Tisch. Etwas irritiert nahm er sich einen Teller und langte reichlich zu.

Aber auch die Frauen hatten ihr Thema, so fragte die Witwe von Viet, «sag Anna Catharina wie ist das Rezept des gefüllten Spanferkels?»

 

«Ein gebratenes , gefülltes Spanferkel mach folgendermaßen: Nimm ein 3 Wochen altes Ferkel und brüh es ab. Laß es abkühlen und zieh ihm die Borsten vollständig aus, ohne die Haut zu verletzen. Und löse etwas Fleisch und die Beinknochen und alle Eingeweide heraus, außer den Klauen die es unten an den Füßen hat. Und nimm von dem Fleisch das herausgelöst wurde, soviel wie zwei Eier und koch es fast gar. Und nimm dann dieses Fleisch und Speck und hack beides. Tu rohe Eier dazu und eine Scheibe Brot und Petersilie und salze es mäßig. Und fülle damit das Ferkel, aber nicht allzu voll, und füll auch vorn das Maul, und leg das Ferkel vorsichtig in einen großen Topf und laß es aufkochen, so daß die Haut nicht platzt. Dann nimm es und leg es auf einen hölzernen Rost und brate es auf niedriger Flamme. Wenn es dann gebraten ist, nimm ein Brett und lege es auf eine Schüssel, befestige auf dem Brett vier Stöckchen und verkleide das Brett mit einem Eierpfannkuchen, und setz das Ferkel darauf, umhülle es ebenfalls mit einem Pfannkuchen und laß die Ohren und die Schnauze herraussehen und trage es auf«. *1

 

«Nun hast du dir alles merken können?» Fragte Anna Catharina.

«Ja sicherlich, ich danke dir für das Rezept.»

 

Nach dem Essen machte Berent noch etwas Musik mit der Flöte, jetzt spielte er jedoch ruhigere Töne. Und eine halbe Stunde später verabschiedeten sich die ersten, da sie ja schon gegen 5 Uhr wieder auf den Beinen sein mußten. Um elf Uhr ging der Letzte. Es war ein schönes Geburtstagsfest, an einem herrlichen Sommertag, gewesen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

*1

 

Zutaten für 4 Personen: Pfannkuchenteig, 400 g Mehl, 1l Milch, 8 Eier, 2 Msp Salz, 100 g

 

Butter oder Schmalz, 4 kräftige Holzstöckchen von der Länge der Ferkelbeine.

 

Ferkel und Fülle: 1 Spanferkel, Leber des Spanferkels oder 100 g Kalbsleber, 100 g

 

Spanferkelfleisch, 1/4 l Fleischbrühe, 1 Zwiebel, 1 EL gehackte Petersilie, 100 g

 

durchwachsener Speck, 2 Scheiben Brot, 1 Prise Muskatnuß, Salz, Pfeffer, Saft einer 1/2

 

Zitrone, 3 Eier 150 g Butter.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ende des zweiten Kapitels

 


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